Platt gekürt: Christdagsgedanken
Unter dieser neuen Rubrik wollen wir in unregelmäßigen Abständen Geschichten und Gedichte in Attendorner Platt veröffentlichen. Und damit es für diejenigen, die des Platts nicht mächtig sind, nicht zu schwer wird, werden wir eine Übersetzung ins Hochdeutsche anfügen.
Wir beginnen mit einem Gedicht von Josefine Wagener-Zeppenfeld, in Attendorn besser bekannt als Kannengeiter’s Fine, das sie mit 70 Jahren schrieb, und wünschen Ihnen allen damit Frohe Weihnachten und ein gesegnetes neues Jahr.
Christdagsgedanken
Wi-ett Ieh noch – Christdag in dian twintiger Johren
Bie Inflatioun un hougem Dollarstand?
As vie met Wennigem noch glückli-ek woren,
Vi-ell mehr, as jetz imme Wirtschaftswunderland.
Dr Christboum – Middelpunkt der guerren Stuawe –
Met bunten Ku-eggeln, Speulatius, Engelhoor.
Dai allen Chrisdagslaier, Gott taum Luawe,
Mehr luut ase schöin sung der Familienchor.
De Ellern brukeren uns nit te mahnen,
Vie woren eynmol alle mustergültig brav.
Vam Vertikow, do wunken unse Ahnen,
Un Musik kom ut eynem Phonograph.
Dai Puppen däen de Mütter selwer maken.
Wat Üwerflüssiges gaffte et nit vi-ell.
Diam Christkind fialde et Geld fiar düre Saken:
En Ball, ouk Schlittschauh un en Würfelspi-ell.
Dat aarme Christkind unserer Kingerjohre
Wor wiet entfernt van diam in jetziger Tiet.
Dat brenget Autos, Pelze, Golddekore
Un Reisen in de Welt, weyt i-ek wu wiet.
Verbie Advent heymli-eker stiller Dröüme!
De Lüe hastet, raset hinger allem hiar;
Dai Strooten wiakenlang voll Lechterböüme –
In unsen Stuawen gi-ett et keine Wunder mehr.
Könn i-ek de Finsterbank noggemol met Hai beströggen
Un viar de Husdiar ouk en wennig Sand.
I-ek möchte mi-ek noggemol op Christdag fröggen –
Sou ase eynst – un nit in eynem Wirtschaftswunderland.
Entnommen dem Band „Heymot“ Gedichte aus Attendorn mit freundlicher Genehmigung der Familie Wagener, BensbergÜbersetzung
Weihnachtsgedanken
Wisst Ihr noch – Weihnachten in den Zwanziger-Jahren
bei Inflation und hohem Dollarstand?
Als wir mit wenigem noch glücklich waren,
viel mehr, als jetzt im Wirtschaftswunderland.
Der Weihnachtsbaum – Mittelpunkt der guten Stube –
mit bunten Kugeln, Spekulatius, Engelhaar.
Die alten Weihnachtslieder, Gott zum Lobe,
eher laut als schön sang der Familienchor.
Die Älteren brauchten uns nicht zu ermahnen,
wir waren einmal alle mustergültig brav.
Vom Vertiko, da winkten unsere Ahnen,
und Musik kam aus dem Plattenspieler.
Die Puppen machten die Mütter selbst.
Überflüssiges gab es nicht viel.
Dem Christkind fehlte das Geld für teure Sachen:
Ein Ball, auch Schlittschuhe und ein Würfelspiel.
Das arme Christkind unserer Kinderjahre
war weit entfernt von dem in heutiger Zeit.
Das bringt Autos, Pelze, Goldketten
und Reisen in die Welt, weiß ich wie weit.
Vorbei Advent heimlich stiller Träume!
Die Leute hasten, rasen hinter allem her;
die Straßen wochenlang voll Lichterbäume –
in unseren Stuben gibt es keine Wunder mehr.
Könnte ich die Fensterbank noch einmal mit Heu bestreuen
und vor der Haustür auch ein wenig Sand.
Ich möchte mich noch einmal auf Weihnachten freuen –
So wie einst –und nicht in einem Wirtschaftswunderland.
Die Übersetzung ist von Gereon und Margot Wagener, Bensberg