Klein-Holland in Nout
Klein-Holland in Nout
Wann Gewitterwolken amme Hiawen hongen,
De Kaih unrüggeliek imme Stalle stongen
Un vamme Blitze belüchtet imme hellen Schiene
Me fixe de Wäske nohm van der Liene:
In Plangen Garen vame Sturm si-ek de Böüme bougen,
Louse Steyne ut dr allen Mu-er flougen,
De Ellern noh iarren Kingern raipen
Un vie imme Sturme no Heyme laipen,
Nohm de Mutter en gesiant Palmstrüßken in de Hand,
Un unger Bian, wor et imme Uawen verbrannt.
Wann dann vamme Hi-emmel de Waterschloatten
In Massen si-ek in de Strooten goatten
Un et Siepen in der Pote üewerquoll.
Stongen Keller un Stuawen van Water voll.
Uhmchens Anna flüchtere de Trappe rop,
Im Café Reuber schwoammen de Staihle op em Kopp,
Bi Rolls stongen de Kaih in der Tränke
Un biem Schriener Sommer de Huawelbänke.
In diam Isphordings Lager gi-egenüewwer
Geng et met Scheppen drunger und drüewwer.
Et Water drängere si-ek ut der Pote
Noh Kannegeiters rop in de Schemperstrote.
Et harre si-ek in de Keller goatten,
Dat de Gemaisedüppen üewwerfloatten.
Tuffelm danzeren tüsker Finster un Diarren
Un de Appele mochten balle giatten weren.
Fiar uns Kinger wor dat kain Grund te mulen,
Me kre-ig ouk süss bluoß eynen, dai anfong te fulen.
Wor et dann langsam hell amme Hiawen,
Un dä si-ek dr Rian endli-ek giawen,
Dann harren vie Kinger unse Tiet:
Huassen un Schau ut un dann sou wiet
as et geng, Rock un Butze opkrempelt.
Do wor nit lange rümmehempelt:
Met blecken Beynen int Water, en Platzken hin un hiar,
Dai Jungens laipen op Stelzen derdiar.
Komen ve dann endliek ut diam Water wier rut,
Woren ve nat zeppelt bit op de Hut.
Wat diam Eynen sing Uhl – wor in düesem Fall
Fiar uns Kinger ne Nachtigall.
Un in spätren Johren amme Nordseestrand
Dacht i-ek biem Spi-ell in Water und Sand
Noch geren an dian Badespaß in Klein-Holland.
Und hier wie immer die Übersetzung ins Hochdeutsche:
Wenn Gewitterwolken am Himmel hingen,
die Kühe unruhig im Stall standen
und vom Blitz im hellen Scheine beleuchtet wurden,
nahm man fix die Wäsche von der Leine;
in Plangens (Attendorner Familie) Garten sich vom Sturm die Bäume bogen,
lose Steine aus der alten Mauer flogen,
die Eltern nach ihren Kindern riefen
und wie im Sturm (schnell) nach Hause liefen,
nahm die Mutter ein gesegnetes Palmsträußchen in die Hand,
und unter Beten wurde es im Ofen verbrannt (als Schutzopfer bei einem Sturm).
Wenn dann vom Himmel die Wasserschleusen
in Massen sich in die Straßen gossen
und das Wasserauffangbecken in der Pforte (Stadttor in der Niedersten Straße) überquoll
standen Keller und Stuben von Wasser voll.
Ühmchens Anna (Attendorner Bürgerin) floh die Treppe rauf,
im Café Räuber schwammen die Stühle auf dem Kopf,
bei Rolls (Mertens) standen die Kühe in der Tränke
und beim Schreiner Sommer die Hobelbänke.
In dem Isphordings Lager gegenüber
ging es mit Schöpfen drunter und drüber.
Das Wasser drängte sich aus der Pforte (Stadttor in der Niedersten Straße)
nach Kannegeiters rauf in die Schemperstraße.
Es hatte sich in die Keller gegossen,
dass die Gemüsetöpfe (Eingelegtes Gemüse in großen Tontöpfen) überflossen.
Kartoffeln tanzten zwischen Fenster und Türen –
und die Äpfel mochten bald gegessen werden.
Für uns Kinder war das kein Grund zu maulen,
wir bekamen auch sonst bloß einen, der anfing zu faulen.
Wurde es dann langsam hell am Himmel,
und tat sich der Regen endlich geben,
dann hatten wir Kinder unsere Zeit:
Hosen und Schuhe aus und dann so weit
wie es ging Rock und Hosen hochgekrempelt.
Da wurde nicht lange rumgehampelt:
Mit Barfuss ins Wasser, ein Plätschern hin und her,
die Jungen liefen auf Stelzen dadurch.
Kamen sie dann endlich aus dem Wasser wieder raus,
waren sie nassgespritzt bis auf die Haut.
Was dem Einen seine Eule – war in diesem Fall
für uns Kinder eine Nachtigall.
Und in späteren Jahren am Nordseestrand
dachte ich beim Spiel in Wasser und Sand
noch gern an den Badespaß in Klein-Holland.
Geschrieben: Juli 1984
Anmerkung: Klein-Holland heißt bis heute das Stadtviertel um die Schemperstraße, das Anfang der 20-er Jahre unter Wasser stand.