Wintertag
Nachdem wir bisher Gedichte und Dönnekes aus dem Band „Heymot“ von Josefine Wagener-Zeppenfeld (Kannegeiters Fine) veröffentlicht haben, wollen wir uns ab jetzt zunächst den „Plattdeutschen Gedichten“ von Ferdinande Laymann widmen. Die Texte entstammen dem Privatbesitz von Josef Hormes, der sie dem Verein für Orts- und Heimatkunde e.V. vor seinem Tod überlassen hat. Die Übersetzung ins Hochdeutsche übernahm dankenswerter Weise Hubert Wacker+.
Ferdinande Laymann wurde am 7.12.1884 in Attendorn geboren und verstarb im Alter von 94 Jahren in Solingen, wo sie Jahrzehnte lang ihrem Bruder, Dechant und Ehrendomherr, den Haushalt führte.
Passend zur augenblicklichen Wetterlage beginnen wir mit ihrem Gedicht:
“ Winterdag“
Et schnigget un et früset
Istappen hanget blenk
Vam Firste raff un Renne
Am ganzen Dake lang.
Dann is et in d’r Stuawen
Sou warem un schummerig,
Grad tüsker Dag un Düster
Is et luter wunnerlich.
De Flocken fallt sou sachte,
Se maket alles hell.
Dat glänzet ouk bi Nachte;
„Nu Mutter, komm, vertell.“
Sou bialden vi de Mutter
Ümme ein Geschichtchen aan;
Se fonk dann ouk besinnlich
Fort te verteilen aan.
Van dian tweilf hilligen Nächten,
Vam willen Jiaggersmann.
Me hördene machmaol söchten
In d‘ r hollenbocker Klamm.
Ouk van dian flitigen Hollen
Un iarrer kleinen Welt
Im hollenluacker Stollen;
Se ackerden dat Feld
Vam kranken Buer bi Nachte,
Nit leider könn se seihn;
Dat gönk sou fix sou sachte –
Süß möchtense siek verteihn.
Un van dian lustigen Zwiargen.
Dai in diar daipen Schlucht
Biem Schnellmerigge huset;
Se straofeden jeiden Schuft,
Dei fiar dei kleinen Hasen
Un Reihe Schlingen liat,
Met kuapperrouen Nasen,
Datset nümaols mehr vergiatt.
Ouk van dian guerren Riesen,
Dei wuent faort niawenaan;
Dat hett, vam Hollenluacke
Dia’rn Biarg un manche Klamm.
Bit nao diar grouten Höhle gien.
Ungerem Stiattenbiarg,
Dao finget me se wier,
De Riesen un de Zwerg.
De Ädmänneker, de Elfen
Un dei verwünskede Fei.
Dat glitzert un dat glimmert dao
As’e listappen un Schnei.
Hie fierden se iarre Feste
Zigdusend Jaohre alt,
Bit tweibeinigge Gäste
Se verdreiwen met Gewalt
So tougen üewwer de Biarge
Bit in de Rüspe rinn,
Ouk dao wät iarres Bliewens
Nit allelang mehr sinn.
Sou vertalte uns de Mutter
Ut ganz, ganz aller Tiet;
As noch dei guerren Geister
Uns te helpen waor’n nit wiet.
Dei Füermänneker danzeden
Daobie wall an d’r Wand
Sou ropp un raff un hiar un hien
De ganze Stuawe lank.
Am Enge kam ouk luter noch
De Rousenkranz eiest dran,
Un bi diam lesten Amen
Stak de Mutter de Lampe aan.
Siat nit t’wören solche Stunden
Aohn‘ Nutzen un Gewinn,
Et liet fiart ganze Liawen
Noch recht viell Siagen drinn.
Und hier die Übersetzung von Hubert Wacker:
Wintertag
Es schneiet und frieret
Eiszapfen hängen blinkend
Vom First runter und Rinne
Am ganzen Dache (ent-)lang.
Dann ist es in der Stuben
So warm und so schummerig,
Grad zwischen Tag und Dunkel
Ist es immer wunderlich.
Die Flocken fallen so sacht,
Sie machen alles hell.
Das glänzet auch bei Nacht;
„Nun Mutter, komm, erzähl.“
So bettelten wir die Mutter
Um ein Geschichtchen an;
Sie fing dann auch besinnlich
Gleich zu erzählen an.
Von den zwölf heiligen Nächten,
Vom wilden Jägersmann.
Man hörte ihn manchmal seufzen
In der Hollenbocker Schlucht.
Auch von den fleißigen Hollen (Märchen-Frauen)
Und ihrer kleinen Welt
Im Hollenlocher Stollen,
Vom kranken Bauer bei Nachte, Nicht jeder könn‘ sie seh’n;
Das ging‘ so schnell so sachte –
Sonst müssten sie sich verzieh’n.
Und von den lustigen Zwergen,
Die in der tiefen Schlucht
Beim Schnellenberge hausen;
Sie bestraften jeden Schuft,
Der für die kleinen Hasen
Und Rehe Schlingen legte,
Mit kupferroten Nasen,
Dass sie’s niemals mehr vergaßen.
Auch von den guten Riesen,
Die wohnen gleich nebenan;
Dass heißt, vom Hollenloche
Durch’n Berg und manche Schlucht
Bis nach der großen Höhle hin.
Unter dem Stürzenberge,
Da findet man sie wieder,
Die Riesen und die Zwerge.
Die Erdmännchen, die Elfen
Und die verwünschte Fee.
Das glitzert und das glimmert da
Wie Eiszapfen und Schnee.
Hier feierten sie ihre Feste
Zigtausend Jahre alt,
Bis zweibeinige Gäste
Sie vertrieben mit Gewalt.
Sie zogen über die Berge
Bis in die Rüspe rein,
Auch da wird ihres Bleibens
Nicht allzulang mehr sein.
So erzählte uns die Mutter
Aus ganz, ganz alter Zeit;
Als noch die guten Geister
Uns zu helfen war’n nicht weit.
Die Feuermännchen tanzten
Dabei wohl an der Wand
So auf und ab und her und hin
Die ganze Stub‘ entlang.
Am Ende kam auch immer noch
Der Rosenkranz erst dran.
Und bei dem letzten Amen
Steckte die Mutter die Lampe an.
Sagt nicht, es wären solche Stunden
Ohne Nutzen und Gewinn,
Es liegt fürs ganze Leben
Noch recht viel Segen drin.